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Stromerzeugung in Kuba: Strategien aus der Krise

12.09.2024

Foto: Pixabay

Kubas Energieminister spricht im Fernsehen über die aktuelle und zukünftige Situation der Stromerzeugung im Land und macht ein Versprechen für die nahe Zukunft.

Kubas Probleme mit der Stromerzeugung und -versorgung haben sich über die Sommermonate erneut verschärft. Zuletzt betrug das Defizit an Werktagen zum Teil mehr als 850 Megawatt (MW) bei einer Nachfrage von rund 3.200 MW zu Spitzenzeiten. Die Folge: Stundenlange Stromausfälle in weiten Teilen des Landes, ein Thema, das Bevölkerung, Unternehmen und Regierung gleichermaßen umtreibt.

Anfang September nun informierten Kubas Minister für Energie und Bergbau, Vicente de la O Levy und Rosell Guerra Campaña, Direktor für erneuerbare Energien des Ministeriums, im kubanischen Fernsehen über die aktuelle Situation und die mittelfristigen Pläne für die Stromerzeugung im Land. De la O Levy erklärte, dass die für die erste Jahreshälfte geplanten Wartungsarbeiten an den aus Sowjetzeiten stammenden Wärmekraftwerken, die für einen Großteil der Stromerzeugung im Land verantwortlich sind, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln durchgeführt worden seien. Allerdings habe es „erhebliche Probleme“ mit der Brennstofffrage, insbesondere im März, Mai und an einigen Tagen im Juni gegeben, so der Minister.

Die Stromerzeugung des Landes setzt sich aus thermoelektrischen Kraftwerken, Gaskraftwerken (betrieben durch das Joint Venture Energas der staatlichen kubanischen Unternehmen UNE und CUPET sowie dem kanadischen Konzern Sherritt International) und dezentraler Stromerzeugung (Generatoren) zusammen. „Die thermische Erzeugung verbraucht nationales Erdöl, Energas nutzt Gas aus kubanischen Bohrungen. Den Rest der Brennstoffe müssen wir importieren. Früher haben wir Rohöl importiert und es dann im Land raffiniert, aber heute ist das sehr schwierig für uns“, sagte De la O Levy.

Die Erzeugungskapazität sei durch die technische Stilllegung jahrzehntealter Kraftwerke sowie Ausfälle und Havarien eingeschränkt, erklärte der Minister. Es fehlt zudem an Geld für Wartung und Investitionen und für die Beschaffung von Brennstoff. Einige der Kraftwerksblöcke wiesen Einschränkungen auf: „Ein 100 MW-Block erzeugt heute nur noch zwischen 70 und 80 MW. Die Summe all dieser Defizite liegt in der Größenordnung von 400 MW, bedingt durch die Betriebsjahre und den Mangel an Ersatzteilen. Die Wartung, die wir durchführen, dient dazu, sie 'am Leben zu erhalten', aber wir bringen sie nicht wieder auf null Kilometer, wie der Volksmund sagt.“ Die angespannte Stromversorgung im August erklärte De la O Levy mit den Ausfällen der Kraftwerke Felton und Céspedes, die nicht auf mangelhafte Wartung zurückzuführen seien. Der Minister verwies darauf, dass es sich um Einheiten handele, „die seit 40 Jahren in Betrieb sind“. Hinzu kam der Ausfall der Hydraulikpumpe im Kraftwerk Guiteras, dem wichtigsten des Landes.

Kurzfristige Strategien

Um die Probleme mit der Stromversorgung in den Griff zu kriegen, skizzierte der Minister mehrere kurzfristige Strategien. Dazu gehört die Wiederherstellung der dezentralen Stromerzeugung. „Wir müssen die Verfügbarkeit der dezentralen Erzeugung erhöhen, denn sie benötigt die wenigsten Ressourcen und liefert die schnellsten Ergebnisse“, erklärte De la O Levy. Besagte Stromaggregate werden durch Diesel- und Heizölmotoren betrieben.

De la O Levy erklärte, dass die mangelnde Verfügbarkeit der dezentralen Stromerzeugung auf den Mangel an Treibstoff und Ersatzteilen zurückzuführen sei. Derzeit stünden nur 400 MW für die dezentrale Stromerzeugung zur Verfügung, weil „sie auch diese Finanzierungslinie blockiert haben“. Mit „sie“ sind die USA gemeint. Die Sanktionen im Rahmen der US-Blockade und Kubas Listung als „terrorunterstützender Staat“ durch die US-Regierung machen internationale Finanztransaktionen für Kuba nahezu unmöglich.

Laut dem Minister verbraucht Kuba heute acht Millionen Tonnen Treibstoff, von denen drei Millionen Tonnen im Land produziert werden. „Den Rest des Treibstoffs hatten wir uns auf verschiedene Weise gesichert (Allianzen, Vereinbarungen, langfristige Lieferungen, Finanzierung), aber heute haben wir diese Möglichkeit nicht mehr“. Die fehlenden fünf Millionen Tonnen Treibstoff kaufe man auf dem internationalen Markt, fügte De la O Levy hinzu. Für das unter notorischer Devisenmangel leidende Kuba sind die fälligen Milliardensummen nur schwer zu stemmen. Auch fehlende Ersatzteile, die nicht in der kubanischen Industrie hergestellt werden, müssen gegen Devisen importiert werden.

Als zweites kurzfristiges Ziel nannte der Minister die Aufrechterhaltung der thermoelektrischen Kraftwerke. „Hätten wir Reserven, könnten wir die Wartung durchführen, ohne den Betrieb zu beeinträchtigen, aber das ist leider nicht der Fall“, sagte er. Hinzu kommt der Ausbau der Gaskraftwerke sowie die Förderung von Energiesparen und Energieeffizienz. „Wir opfern die Wirtschaft, um die Bevölkerung weniger zu belasten“, sagte De la O Levy.

Langfristige Strategien

Mittel- und langfristig setzt Kuba auf den Ausbau erneuerbarer Energien, um von der Einfuhr von Brennstoffen unabhängig zu werden und in Zukunft auf deren Verbrauch zu verzichten. „Der Verzicht auf Brennstoffimporte bedeutet die Verwendung von einheimischem Erdöl und Gas und die Reduzierung deren Verbrauchs durch erneuerbare Energien“, sagte De la O Levy. Laut dem Nationalen Entwicklungsplan soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Energiematrix Kubas bis 2030 auf 37 Prozent und danach schrittweise auf 100 Prozent ausgebaut werden. Das Land strebt Energieunabhängigkeit an. Noch aber liegt Kuba weit hinter dem selbst gesteckten Fahrplan zurück.

In seinem Fernsehauftritt verwies Minister De la O Levy auf das laufende Investitionsprojekt für die Errichtung von Photovoltaikanlagen. Bis 2028 sollen auf der Insel 92 Solarparks mit einer Gesamtkapazität von 2.000 MW Stromerzeugung entstehen. Derzeit gibt es in Kuba nach Angaben der Regierung 77 Photovoltaikparks. Darüber hinaus haben kubanische Wissenschaftler 21 Gebiete im Land identifiziert, die günstige Bedingungen für die Errichtung von Windparks bieten.

Um die geplanten 2.000 MW durch Solarenergie zu erreichen, seien mehrere Hürden zu überwinden, so Kubas Energieminister, darunter die Finanzierung. Außerdem „ist das Bauvolumen für die Installation von 2000 Megawatt sehr groß“, so dass ein System entwickelt wurde, bei dem die Paneele nach ihrer Ankunft im Land direkt installiert werden, ohne vorher ein Lager zu durchlaufen, um Verluste durch Bruch und auch Zeitverluste zu vermeiden.

Von den 92 Solarparks, die errichtet werden sollen, sind laut Rosell Guerra Campaña,

Direktorin für erneuerbare Energien im Energieministerium, 30 bereits im Bau. Das heißt, dass in einem Drittel dieser Parks die für die Montage der Paneele erforderlichen Arbeiten bereits im Gange sind. Jeder Park hat eine Kapazität von 22 Megawatt. Zehn der Solarparks sollen noch in diesem Jahr vollständig installiert werden. „Die 286 Megawatt, die das Land bereits installiert hat, plus diese 220 Megawatt, plus die, die 2025 hinzukommen, werden es uns ermöglichen, die Beeinträchtigungen durch Stromausfälle auf die Wirtschaft und die Bevölkerung während des Tages zu reduzieren“, sagte Guerra Campaña. „Das Ministerium strebt an, dass zumindest tagsüber Strom aus nationalen Ressourcen erzeugt wird“, fügte sie hinzu und bezog sich dabei auf nationales Erdöl, Gas und erneuerbare Energien.

Minister De la O Levy ergänzte: „Wir sind überzeugt, dass wir (…) im Jahr 2025 mindestens eine Minute haben werden, in der wir keinen importierten Brennstoff verbrauchen müssen. Das wird die erste Minute sein. Und das Ziel wird sein, sie zu erhöhen. Bis der Zeitpunkt kommt, an dem wir keine importierten Brennstoffe mehr verbrauchen. Es wird ein langer Weg voller Hindernisse sein, aber es ist ein sicherer Weg.“