Ein neues US-Gesetz verschärft die Spannungen im Streit um die Rechte an der Rum-Marke „Havana Club“. Kubas Regierung reagiert verärgert.
Der scheidende US-Präsident Joseph Biden hat Anfang Dezember ein Gesetz unterzeichnet, das es US-Gerichten ausdrücklich verbietet, Markenansprüche anzuerkennen, wenn der ursprüngliche Eigentümer nicht zugestimmt hat. Der „No Stolen Trademarks Honored in America Act of 2023“ mischt die Karten in dem jahrelangen Rechtsstreit zwischen dem Spirituosenhersteller Bacardi und der kubanischen Regierung um die Markenrechte an „Havana Club“ neu. Zuletzt hatten US-Gerichte das kubanische Eigentum an der Marke bestätigt.
Nach der neuen Gesetzgebung wären Kubas staatliches Unternehmen Cubaexport und sein französischer Partner, der Getränkekonzern Pernod Ricard, nicht mehr befugt, die Rechte an der Marke Havana Club in den Vereinigten Staaten auszuüben, da die kubanische Regierung sie nach der US-Regelung „unrechtmäßig beschlagnahmt“ hat. Havana Club ist Kubas führende Rum-Marke und bringt der Insel jährlich Millionen von US-Dollar ein.
Die Unterzeichnung des Gesetzes durch Biden ist ein empfindlicher Schlag für die kubanische Rumindustrie; die Reaktionen aus Havanna fielen entsprechend scharf aus. „Die USA greifen das System des internationalen Schutzes des gewerblichen Eigentums an, indem sie ein Gesetz verabschieden, das den Diebstahl von Marken erleichtert, die Kuba in diesem Land [in den USA, Anm.] registriert hat. Damit wird die wirtschaftliche Aggression auf den Bereich der Marken übertragen“, schrieb Kubas Vizeaußenminister Carlos Fernández de Cossío Domínguez in einer ersten Reaktion in dem sozialen Netzwerk X. In einer am vergangenen Dienstag veröffentlichten Erklärung bezeichnet das kubanische Außenministerium besagtes Gesetz als „eine neue einseitige Zwangsmaßnahme, die die Blockade gegen die kubanische Wirtschaft verstärkt,“ und weist es „in aller Entschiedenheit“ zurück. Das Gesetz erweitere „den Weg zur Konsolidierung des Diebstahls kubanischer Marken, die rechtmäßig beim US-Patent- und Markenamt registriert“ sind. Kubas Außenamt erinnert daran, dass derzeit 6.448 US-Marken in Kuba registriert und geschützt sind.
Jahrzehntelanger Rechtsstreit
Eingebracht worden war der überparteiliche Gesetzentwurf Anfang März 2023 von einer Gruppe von US-Parlamentariern. Sie führten den Fall Havana Club ausdrücklich als Beispiel an und verwiesen darauf, dass Bacardi, einer der größten Spirituosenhersteller der Welt, die Marke und das Rezept von den Nachkommen des ursprünglichen Gründers und Besitzers von Havana Club gekauft habe. Da die kubanische Regierung die Marke angeblich unrechtmäßig beschlagnahmt hat, seien Cubaexport und Pernod Ricard nicht berechtigt, die Rechte an Havana Club auszuüben.
Havana Club war in den 1950ern nach Bacardí Kubas zweitwichtigste Rummarke. Nach dem Triumph der Revolution 1959 wurden die Rumfabriken verstaatlicht; die Eigentümerfamilie Arechabala floh nach Spanien. Auch die Bacardí-Familie verließ die Insel, setzte die Rumherstellung aber in ihren Destillerien in Puerto Rico und Mexiko fort. Im Jahr 1973 versäumte es die Familie Arechabala die Markerechte für Havana Club 1973 zu erneuern. Drei Jahre später sicherte sich die kubanische Regierung die Rechte und registrierte sie in verschiedenen Ländern, darunter den USA. Im Jahr 1993 gründete sie das Joint Venture mit Pernod Ricard; im Jahr darauf verkaufte die Familie Arechabala die Marke und das Rezept an Bacardi, das seitdem Havana Club in Puerto Rico herstellt und in den USA als „The Real Havana Club“ vertreibt. Zugleich begann Bacardi Kubas Markenrecht anzufechten. Das Unternehmen argumentierte, die Familie Arechabala habe ihre Rechte an Havana Club niemals aufgegeben und beantragte bei den US-Behörden die Registrierung einer gleichnamigen Marke. Ein jahrzehntelanger Rechtsstreit mit Pernod Ricard und der kubanischen Regierung in den USA begann, in den sich sogar die WTO und die Europäische Union einschalteten.
Bis 2006 hielten Pernod Ricard und Cubaexport die Markenrechte für Havana Club in den USA; doch als diese im selben Jahr ausliefen, verhinderte ein als „Bacardi bill“ bekanntes Gesetz die Erneuerung. Danach war es für Unternehmen mit kubanischer Beteiligung illegal, abgelaufene US-Markenrechte zu erneuern oder Marken zu registrieren, die von der kubanischen Regierung ohne Entschädigung verstaatlicht worden waren. Pernod Ricard erhob daraufhin Klage gegen Bacardi mit dem Argument, Bacardi dürfe in den USA keinen Rum unter dem Namen Havana Club verkaufen, dies wäre irreführend. Einige Jahre später urteilte ein Gericht in Philadelphia im Sinne von Bacardi. Als 2012 der Oberste Gerichtshof der USA sich weigerte, des Falls anzunehmen, schien der jahrelange Rechtsstreit entschieden. Im Jahr 2016 aber vollzog die U.S. Patent and Trademark Office eine Rolle rückwärts und sprach die US-Lizenz an Kubas berühmtester Rummarke überraschend der kubanischen Regierung zu. Die Lizenzrechte werden jeweils für zehn Jahre vergeben; im Jahr 2026 steht also die Erneuerung an. Das erklärt laut kubanischer Regierung die Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens und die schnelle Verabschiedung zum jetzigen Zeitpunkt. Nach dem „No Stolen Trademarks Honored in America Act of 2023“ könnten die kubanischen Rechte an der Marke Havana Club in den USA aufgehoben werden; Bacardi könnte dann seinerseits die Markenrechte registrieren lassen.