Foto: Cubadebate
Kubas Regierung erlässt mehrere Gesetze und Verordnungen für die Aktivitäten privater Unternehmen, nicht landwirtschaftlicher Genossenschaften und Selbständiger.
Die von Kubas Premierminister Manuel Marrero vor wenigen Wochen angekündigten neuen Regularien für den Privatsektor in Kuba sind in diesen Tagen im Amtsblatt veröffentlicht worden. Sie werden damit am 19. September in Kraft treten. Die in dem 167-seitigen Dokument (PDF) aufgeführten Gesetze und Verordnungen sehen neue Steuern und bürokratische Anforderungen für die Aktivitäten Kleinst-. kleiner und mittlerer Unternehmen (KKMU), nicht-landwirtschaftlicher Genossenschaften und Selbständiger (Cuentapropistas) vor.
Zugleich wird das Instituto Nacional de Actores Económicos no Estatales, das Nationale Institut für nichtstaatliche Wirtschaftsakteure, formalisiert, das mit der Leitung und Kontrolle der staatlichen Politik für die Entwicklung und das Funktionieren des kubanischen Privatsektors beauftragt ist. Präsidentin dieser Institution, die dem Ministerrat untersteht, ist die frühere Erste Sekretärin des Parteikomitees der Provinz Havanna, Mercedes López Acea.
Mehr Kontrolle
Das Gesetzesdekret 88/2024 „Über Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen (KKMU)“ erweitert die Verpflichtungen, die KKMU erfüllen müssen. Unter anderem müssen private Unternehmen künftig alle Operationen auf ihrem Bankkonto registrieren; ihre Waren und Dienstleistungen dürfen sie nur in kubanischen Pesos (CUP) vermarkten, mit einigen Ausnahmen. Die Nichtbereitstellung digitaler Zahlungskanäle oder die Nichtnutzung des Steuerkontos (cuenta fiscal) sind nach der neuen Gesetzgebung strafbar. Wie das in der Praxis ablaufen soll, bleibt jedoch unklar, da viele KKMU ihre Waren aus dem Ausland beziehen und diese in Devisenwährungen bezahlen müssen. Dies ist von kubanischen Konten aus nicht möglich. Auch gibt es keinen offiziellen Devisenmarkt, über den KKMU legal CUP in Devisen umtauschen können.
Bei der Preisgestaltung für ihre Waren und Dienstleistungen müssen die KKMU dies künftig nach den Regeln des Ministeriums für Finanzen und Preise tun. Beibehalten wird die Regelung, dass sie die zentral genehmigten Preise einhalten müssen. Die Beteiligung als Strohmann an einem Unternehmen wiederum wird als ein strafbares Verhalten eingestuft, das rechtliche Konsequenzen hat.
Teilhaber privater Unternehmen
Neu ist, dass die Teilhaber von KKMU Kubaner „mit effektivem Wohnsitz“ sein müssen. Diesen Status, der mit dem neuen Migrationsgesetz eingeführt wurde, erlangen kubanische Staatsbürger, wenn sie sich im Kalenderjahr die meiste Zeit im Land aufhalten. Darüber hinaus können auch Ausländer mit ständigem Wohnsitz Teilhaber einer KKMU sein. Im Ausland lebende Kubaner dagegen können weiterhin nicht legal KKMU besitzen oder an ihnen teilhaben.
Darüber hinaus wird die Einschränkung, dass eine natürliche Person nicht Teilhaber in mehr als einem KKMU sein kann, beibehalten. Aber es wird genehmigt, dass eine natürliche Person in anderen Tätigkeiten als denen ihres Unternehmens selbständig tätig sein darf, also z.B. als Cuentapropista, Arbeiter auf eigene Rechnung.
Das zur Gründung des Unternehmens eingebrachte Grundkapital muss auf kubanische Pesos (CUP) lauten; seine Rechtmäßigkeit muss von der Bank bestätigt werden. Die Regularien sehen zwar auch die Gründung gemischter privater Unternehmen vor (mit staatlichen oder privaten, mit nationalen oder ausländischen Unternehmen). Es wird jedoch klargestellt, dass dies vorerst nicht geschehen wird.
Genehmigungsverfahren und Arbeitsrechte
Die Genehmigung neuer KKMU fällt künftig in die Zuständigkeit der Gemeindeverwaltungen, die dabei die Entwicklungsstrategie des Ortes berücksichtigen, an dem der Antragsteller ansässig ist. Mit vorheriger Genehmigung durch die lokale Regierung dürfen natürliche Personen ihre Immobilien an KKMU vermieten. Wenn die betreffende Immobilie einem nahen Verwandten der Teilhaber des KKMU gehört, ist das Genehmigungserfahren nicht erforderlich.
Den sekundären Wirtschaftstätigkeiten eines KKMU werden keine Grenzen gesetzt, aber „sie dürfen nicht nachteilig für die Haupttätigkeit sein und müssen den tatsächlichen Konditionen des Unternehmens entsprechen, das sie ausüben will“. Tätigkeiten wie der Tourismus, das Bankwesen und alles, was mit Telekommunikation oder Medien zu tun hat, bleiben für KKMU tabu. Auch verbieten die neuen Regularien beispielsweise Sprach-, Musik- und anderen Kunstlehrern, Akademien zu gründen.
Das neue Gesetzesdekret 88/2024 legt darüber hinaus einen Schwerpunkt auf die Rechte von Arbeitnehmern, die in privaten Unternehmen beschäftigt sind. So sieht es die Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen den Parteien vor, die unter anderem „Art des Vertrags und Laufzeit, Position, Aufgaben und Funktionen, Arbeitsort, Arbeits- und Ruhezeiten, Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Gehalt und Zahlungsrhythmus, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz“ regelt.
Ferner heißt es, dass die Löhne gemäß dem Mindestlohn gezahlt werden müssen, das Urlaubsgeld eingehalten werden muss, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen gewährleistet werden müssen und ein Arbeitsumfeld gefördert werden muss, in dem Diskriminierung, Gewalt und Belästigung nicht toleriert werden. Außerdem müssen KKMU die Einbeziehung von Arbeitnehmern in Gewerkschaften fördern.
Das neue Gesetz enthält auch ein neues Kapitel, das der sozialen Verantwortung der Unternehmen gewidmet ist. Unter diese „freiwilligen Verpflichtungen der KKMU“ fallen „Aus- und Weiterbildung, Beschäftigung für Frauen, Jugendliche, Menschen mit Behinderungen, moralische und materielle Anreize für Arbeitnehmer und Rentner“; die „Nutzung erneuerbarer Energien, Abfallbehandlung, Verringerung von Emissionen und Abwässern“ oder „Spenden oder andere Formen der Unterstützung der Gemeinschaft in Katastrophensituationen“.