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Kuba: Gesetzentwurf über Enteignungen veröffentlicht

29.03.2022

Die Gesetzesinitiative stärkt die rechtlichen Garantien für ausländische Investoren in Kuba, versichern kubanische Medien.

 

Der Entwurf des „Enteignungsgesetzes aus Gründen des öffentlichen Nutzens oder des sozialen Interesses“ (PDF) wurde auf der Website des kubanischen Finanzministeriums (MFP) veröffentlicht, und kann dort nun von der kubanischen Bevölkerung eingesehen werden.

Darüber hinaus wurde die E-Mail-Adresse consultas.patrimonio@mfp.gob.cu eingerichtet, um die Ausarbeitung und Verabschiedung des Gesetzes auf der Grundlage der Kriterien nicht nur von Experten und Gesetzgebern, sondern auch von Bürgern in Ausübung ihrer Beteiligungsrechte zu erleichtern, schreibt die Tageszeitung Granma.

Der Gesetzentwurf regelt die Enteignung aus Gründen des öffentlichen Nutzens oder des sozialen Interesses als Mittel staatlichen Handelns zur Befriedigung allgemeiner Interessen als Mittel zum Erwerb von Eigentum und Rechten für das Staatsvermögen, so die Zeitung. Außerdem werden die für die Erklärung des öffentlichen Nutzens oder des sozialen Interesses zuständigen Personen sowie die Grundlagen und das Verfahren zur Feststellung des Nutzens oder der Notwendigkeit festgelegt.

Der Entwurf unterstützt auch die im Gesetz Nr. 118 über ausländische Investitionen vom 29. März 2014 festgelegten Regeln zur Enteignung in diesem Bereich und stärkt in diesem Zusammenhang die rechtlichen Garantien für ausländische Investoren in Kuba, versichert Granma.

Der Gesetzentwurf sieht in einem seiner Artikel vor, dass für die Einleitung von Maßnahmen zur Enteignung ausländischer Investitionen die vorherige Zustimmung des Ministerrats erforderlich ist. Im Falle einer Enteignung im Bereich der Auslandsinvestitionen wird die Entschädigung auf den einvernehmlich festgelegten Handelswert festgesetzt, heißt es in der Gesetzesinitiative. Wird keine Einigung über den Handelswert der zu enteignenden Vermögenswerte oder Rechte erzielt, so wird der Preis von einer vom Finanzministerium ermächtigten Organisation von internationalem Ruf auf dem Gebiet der Unternehmensbewertung festgelegt, die zu diesem Zweck im Einvernehmen mit den Parteien des Enteignungsverfahrens beauftragt wird. Die Entschädigung wird in frei konvertierbarer Währung (MLC) gezahlt

Nach Angaben der Website des Finanzministeriums stärkt die Gesetzesinitiative – in einem im kubanischen Recht bisher nicht gekannten Ausmaß – das rechtliche Umfeld der verfahrensrechtlichen und vermögensrechtlichen Garantien für diejenigen, die von einer Enteignung betroffen sind, schreibt die Zeitung. Die Verfassung Kubas lässt die Enteignung von Eigentum nur aus Gründen des öffentlichen Nutzens oder des sozialen Interesses und mit einer angemessenen Entschädigung zu. Das nun als Entwurf vorliegende Gesetz legt die Grundlagen für die Bestimmung des Nutzens und der Notwendigkeit, die zustehenden Garantien, das Verfahren der Enteignung und die Form der Entschädigung fest.

Die Frage von Enteignungen ist einer der zentralen Streitpunkte zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba seit dem Triumph der Revolution, als viele Unternehmen, darunter auch US-Firmen, verstaatlicht wurden. Dieser Disput ist eine der Achsen des so genannten Helms-Burton-Gesetzes, einer 1996 vom US-Kongress verabschiedeten Verschärfung der US-Blockade gegen Kuba. Die Klauseln III und IV waren von allen US-Präsidenten in Sechs-Monats-Schritten suspendiert worden. Donald Trump hatte sie Anfang 2019 als erster Präsident aktiviert und ebnete somit den Weg für Schadensersatzklagen vor US-Gerichten gegen Unternehmen aus den USA oder aus Drittstaaten, die nach der Revolution von verstaatlichtem Besitz US-amerikanischer Unternehmen und -Bürger profitiert haben.

Seitdem wurden verschiedene Klagen gegen Unternehmen eingereicht, die in Kuba tätig sind oder waren. In der vergangenen Woche entschied ein Bundesgericht in Miami, dass vier der weltweit größten Kreuzfahrtgesellschaften (Carnival, Norwegian, Royal Caribbean sowie die Schweizer MSC Cruises mit Sitz in Genf) an „verbotenen touristischen Aktivitäten“ und „Handel“ mit verstaatlichtem Besitz beteiligt waren, indem sie Passagiere nach Kuba beförderten und von der Nutzung der von der kubanischen Regierung nach der Revolution beschlagnahmten Hafenanlagen in Havanna profitierten. Der Richterspruch könnte Auswirkungen auf ähnliche Verfahren haben, die Dutzende von Kubano-Amerikanern bei US-Gerichten eingereicht haben, um eine Entschädigung für ihr nach 1959 verstaatlichtes Eigentum zu erhalten.